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Projektinfos

  • Projektstandort

    Freiburg in Baden-Württemberg

  • Hintergrund

    Bürger erwerben Aktien und ermöglichen dadurch den Erhalt und die Neugründung von Betrieben der ökologischen Land- und Regionalwirtschaft. Die Bürgeraktiengesellschaft organisiert das Zusammenwirken von Kapitalgebern aus der Bevölkerung der Region und Partnerbetrieben entlang der Wertschöpfungskette Lebensmittelproduktion, -verarbeitung und -handel sowie der Gastronomie. Ziel ist der Aufbau einer nachhaltigen Regionalwirtschaft rund um Freiburg. Gewissenhaftes Wirtschaften verbindet sich mit sozial-ökologischer Wertschöpfung.

  • Detaillierte Beschreibung

    Das Konzept der Regionalwert AG entstand kurz nach der Jahrtausendwende in einer Gruppe rund um den Gärtnermeister und Master of Social Banking Christian Hiß. Wie soll die Zukunft der Landwirtschaft in unserer Region aussehen? Diese Frage stellten sich Fachleute verschiedener Disziplinen und Bauer*innen aus dem Umland der Stadt Freiburg. In einer Veranstaltungsreihe analysierten sie die Defizite der verstärkt global ausgerichteten Landwirtschaft. Als praktische Konsequenz der Debatten wurde im Herbst 2006 die Regionalwert AG Bürgeraktiengesellschaft in der Region gegründet. Als Rechtsform wurde die Aktiengesellschaft gewählt –diese ist nicht an der Börse notiert. Ein Jahr später waren bereits 700 Bürger*innen an der Regionalwert AG beteiligt. Ein Anteil kostet 500.- € (plus Ausgabeaufschlag).

     

    Inzwischen arbeiten 26 Betriebe unter dem Dach der Regionalwert AG Freiburg. Die Regionalwert AG leistet vielfältige Aufbau- und Entwicklungsarbeit in der Vernetzung und Betreuung in der Vorgründungs- und Start Up-Phase von regionalen Betrieben. Sie organisiert auch die außerfamiliäre Hofnachfolge. Betriebe, die kein Kapital bei den Banken bekommen würden, erhalten durch die Regionalwert AG eine Chance.

  • Zeitlicher Rahmen

    Die Konzeptionierung der Regionalwert AG dauerte ca. drei Jahre.

  • Akteure & Steuerung

    Mittels Kapitalwirtschaft stellt die Regionalwert AG systematisch die Verbindung zwischen Stadt und Land, zwischen Produzent*innen und Konsument*innen und zwischen Bauer*innen und Nicht-Bauer*innen her. Als „funktionales Intermediärorgan“ will sie die Betriebs- mit der Volkswirtschaft und die Finanz- mit der Realwirtschaft auf dem Gebiet der lokalen ökologischen Lebensmittelversorgung verknüpfen. Sie übernimmt mit ihren konkreten Kapitalbeteiligungen an Betrieben in ländlichen Räumen eine Steuerungsfunktion in der Regionalentwicklung.

     

    Die Regionalwert AG organisiert die regionale Wertschöpfungskette einzelner unternehmerisch selbständiger Betriebe auf dem Boden und unter dem Dach der Bürgeraktiengesellschaft. Alle Stufen der Wertschöpfung zur Beschaffung der Lebensmittel werden einzelbetrieblich veranlagt, können sich jeweils spezialisieren und sind trotzdem Teil eines größeren Ganzen. Die negativen Folgen der Spezialisierung werden durch die Verknüpfung in der Struktur der Regionalwert AG ganz oder teilweise wieder aufgehoben.

     

    Die zentralen Steuerungsorgane der Bürgeraktiengesellschaft unterscheiden sich nicht von einer „normalen“ Aktiengesellschaft: Ein Vorstand, der oder die die Gesellschaft leitet, ein Aufsichtsrat, der kontrollierend und beratend wirkt und eine Hauptversammlung, die sich aus den Aktionär*innen zusammensetzt und sich einmal im Jahr treffen.

Erfahrungen

  • Was lief gut? Was sind die Erfolgsfaktoren?

    „Regional“ und „bio“ stellen starke Kaufmotive von Konsument/-innen dar. Ebenso wird die Industrialisierung der Landwirtschaft als negativ bewertet. Neben dem Wunsch, die Lebensmittelproduktion nachhaltig zu verändern, ist in der Region Freiburg auch das Finanzkapital der Bürger*innen vorhanden, um in den Aufbau von regionalen Wertschöpfungsstrukturen zu investieren.

     

    Um erfolgreich eine Regionalwert AG zu gründen, bedarf es eines Teams an Engagierten aus der Landwirtschaft, dem Lebensmittelhandel bzw. -handwerk und der Finanzwirtschaft, die die Idee in der Region verbreiten und Mitstreiter*innen suchen. Sobald die Strukturen aufgebaut und Betriebe neu gegründet sind, erfährt die Regionalwert AG eine Eigendynamik. Ihr Bekanntheitsgrad und das Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit wachsen.

     

    Die intensive Kommunikation der Regionalwert-Betriebe untereinander und mit dem Vorstand und Aufsichtsrat sorgt für ihr wirtschaftliches Wohlergehen.

  • Was lief weniger gut? Was sind Hindernisse?

    Da die Regionalwert AG in keine Förderschiene passte, konnte keine Anschubfinanzierung erschlossen werden, die einen leichteren und ggf. schnellen Start hätte ermöglichen können.

     

    Viel ehrenamtliche Arbeit musste in die Aufbereitung des komplizierten Aktienrechts auf das eigene Projekt verwendet werden. Insbesondere die Erarbeitung eines Wertpapierprospekts, das vor jeder Aktienausgabe steht, ist sehr anspruchsvoll und verlangt juristische und finanzfachliche Expertise.

    Aus diesem Grund ist es notwendig, dass neben fachlichem Know How aus der Landwirtschaft auch Finanz-Know How erschlossen wird.

  • Was am Projekt / Vorhaben ist "Next Practice"?

    Die Regionalwert AG grenzt sich mit den Zielen der regionalen Ernährungssouveränität und der Stärkung der Regionalökonomie deutlich von einer Weltmarktorientierung ab: Die Regionalwert AG leistet einen Beitrag dazu, dass Regionen ihre Bevölkerung wieder resilienter ernähren.

     

    Was macht die Regionalwert AG besonders:

    1. 1) In der Regionalwert AG gehören das Land und das Inventar den Aktionär*innen gemeinsam. Trotzdem bleiben die Betriebe wirtschaftlich selbständig.
    2. 2) Gewinn und Verlust haben in der Regionalwert AG eine andere Bedeutung: es zählt nicht der „Shareholder-Value“, sondern Menschen beteiligen sich ganz bewusst am Gewinn und Verlust ihrer Aktiengesellschaft. Sie übernehmen Verantwortung für ihre Region, in der sie leben und für ihr tägliches Essen. Gewinne sind nicht (nur) monetär, sondern leisten einen wichtigen sozial-ökologischen Beitrag, wie: Sicherung der Nahrungsmittelqualität, Erhalt einer vielfältigen Kulturlandschaft, Erhalt der Fruchtbarkeit von Boden, Pflanze und Tier, Erhalt der Biodiversität, Natur- und Umweltschutz und die Schaffung von sinnstiftenden Arbeitsplätzen.
    3. 3) Im Rahmen des bereits abgeschlossenen Forschungsprojekts „Richtig Rechnen in der Landwirtschaft“, wurde ein neues Verfahren entwickelt, dass die Erfassung, Verbuchung und Bilanzierung sozialer, ökologischer und regionalwirtschaftlicher Leistungen in der Landwirtschaft umfasst. So werden Betriebe, die besonders nachhaltig wirtschaften nicht abgestraft durch Gewinnverluste, sondern können ihre Leistungen in der Bilanz sichtbar werden lassen (Richtig Rechnen durch eine gerechte Erfolgsrechnung) und durch einen Ausgleichsfonds monetär vergütet werden, um nachhaltige Leistungen attraktiv zu belohnen. Das ehemalige Forschungsprojekt befindet sich aktuell in der Pilotphase. Daraus hat sich auch ein Messinstrument, die Regionalwert-Nachhaltigkeitsanalyse entwickelt.
    4. 4) Daraus hat sich ein weiteres Forschungsprojekt entwickelt: Quarta Vista, ein Navigationssystem für werteorientierte Unternehmen jeglicher Branchen. QV ist ein vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördertes Projekt, das im November 2018 gestartet ist, im Rahmen von INQA. Das Projekt entwickelt neue Formen, um Unternehmen mehrdimensional zu betrachten, zu führen und zu bilanzieren. Dazu betrachtet das Projekt die wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht nur klassisch betriebswirtschaftlich-finanziell. Zusätzlich erfasst es drei weitere Dimensionen: Gesellschaft, Natur, Wissen.
  • Übertragbarkeit

    Die Idee der Regionalwert AG soll sich verbreitern: Die Regionalwert Treuhand UG & Co. KG ist die Inhaberin der Markennutzungsrechte an der Marke Regionalwert AG. Ihr Geschäftszweck ist die überregionale Verbreitung des Konzepts. Der Geschäftsführer Christian Hiß bietet Vorträge und Beratung vor und während der Gründung an.

    Bisher gibt es fünf Regionalwert AGs in Deutschland. Die Regionalwert AG Freiburg, die Regionalwert AG im Raum Isar/Inn, die Regionalwert Hamburg, die Regionalwert AG Rheinland und die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg. Die weiteren Regionalwert AGs, Bodensee-Oberschwaben, Bayreuth-Oberfranken sowie Weser befinden sich zur Zeit im Aufbau.

    Ziel ist es, ein in Deutschland flächendeckendes Netz an Regionalwert AGs aufzubauen. Auch wenn das Konzept erklärungsbedürftig und es am Anfang schwierig ist, genügend Aktionäre zu finden, die das Gründungskapital aufbringen, lohnen sich die Mühen um den Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten in der Lebensmittelwirtschaft.

Kontakt

Christian Hiss

Geschäftsstelle der Regionalwert AG

Bruckmatten 6

79356 Eichstetten


Telefon: 07663-91436-0 E-Mail: kontakt@regionalwert-ag.deWebsite: https://www.regionalwert-ag.de/

Weiterführende Informationen

  • Die Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit in Baden Württemberg arbeitete daran das Wissen und die Erfahrungen engagierter Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit zu bündeln. Mit der WIN Charta soll nachhaltiges Wirtschaften von Unternehmen gewürdigt und für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden.

    www.win-bw.com
  • Die Homepage des Fachverbandes Regiogeld erklärt übersichtlich, worum es sich bei Regionalwährungen handelt, wie sie funktionieren und bietet eine Übersichtskarte der Regionalgeldstellen in Deutschland.

    regionetzwerk.blogspot.com
  • Die Homepage gibt eine Übersicht darüber, welche Rolle eine Gemeinde im Rahmen der Gemeinwohlökonomie einnehmen kann. Zusätzlich werden hier Arbeitsunterlagen für die Erstellung einer GWÖ-Bilanz für Gemeinden bereitgestellt

    web.ecogood.org
  • Der Weltladen-Dachverband vertritt als eingetragener Verein die Interessen der Weltläden und Aktionsgruppen für fairen Handel in Deutschland. Ziele sind, den fairen Handel bekannter zu machen und ein klares und schlüssiges Bild von Weltläden in der Öffentlichkeit zu schaffen.

    www.weltladen.de